Unabhängigkeitssystem

Ein Unabhängigkeitssystem ist in der Kombinatorik eine Verallgemeinerung der mathematische Struktur des Matroides. Ein Unabhängigkeitssystem ( E , U ) {\displaystyle (E,U)} besteht aus einer endlichen Grundmenge E {\displaystyle E} und einem darüber definierten nicht leeren Mengensystem U {\displaystyle U} , das bezüglich der Teilmengen-Bildung abgeschlossen ist.

Viele Probleme der Kombinatorischen Optimierung lassen sich als Minimierungs- oder Maximierungsproblem in einem Unabhängigkeitssystem beschreiben.

Definitionen

Sei E {\displaystyle E} eine beliebige endliche Grundmenge und U {\displaystyle {\mathcal {U}}} ein System von Teilmengen von E {\displaystyle E} (also U P ( E ) {\displaystyle {\mathcal {U}}\subseteq {\mathcal {P}}(E)} ), dann ist das Paar ( E , U ) {\displaystyle (E,{\mathcal {U}})} ein Unabhängigkeitssystem, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  1. U {\displaystyle \emptyset \in {\mathcal {U}}} (Nicht zu verwechseln mit U {\displaystyle \emptyset \subseteq {\mathcal {U}}} , was trivial wäre, da die leere Menge Teilmenge jeder Menge ist.)
  2. A B , B U A U {\displaystyle A\subseteq B,B\in {\mathcal {U}}\Rightarrow A\in {\mathcal {U}}} ( U {\displaystyle {\mathcal {U}}} ist nach unten {\displaystyle \subseteq } -abgeschlossen.)

1. ist äquivalent zu der Forderung, dass U {\displaystyle {\mathcal {U}}} nicht leer ist.

Durch Hinzufügen der sogenannten Austauscheigenschaft entsteht aus einem Unabhängigkeitssystem ein Matroid.

Unabhängig, abhängig

Die Elemente aus U {\displaystyle {\mathcal {U}}} nennt man unabhängig; die Teilmengen von E {\displaystyle E} , die nicht in U {\displaystyle {\mathcal {U}}} enthalten sind, nennt man abhängig.

Basis

Ist eine unabhängige Menge B U {\displaystyle B\in {\mathcal {U}}} maximal, so bezeichnet man sie als Basis (in Anlehnung an den analogen Begriff im Zusammenhang mit linearer Unabhängigkeit).

Kreis

Ist eine abhängige Menge K P ( E ) U {\displaystyle K\in {\mathcal {P}}(E)\setminus {\mathcal {U}}} minimal (d. h. alle echten Teilmengen von K {\displaystyle K} sind unabhängig), so bezeichnet man sie als Kreis (in Anlehnung an den Kreisbegriff aus der Graphentheorie).

Rangfunktion

Die Rangfunktion r : P ( E ) N 0 {\displaystyle r\colon {\mathcal {P}}(E)\to \mathbb {N} _{0}} ist definiert als r ( F ) = max { | A | A U ,   A F } {\displaystyle r(F)=\max\{|A|\mid A\in {\mathcal {U}},\ A\subseteq F\}} für alle Teilmengen F E {\displaystyle F\subset E} .

Für die so definierte Rangfunktion r : P ( E ) N 0 {\displaystyle r\colon {\mathcal {P}}(E)\to \mathbb {N} _{0}} gilt:

  • 0 r ( A ) | A | {\displaystyle 0\leq r(A)\leq |A|}
  • Aus A B {\displaystyle A\subseteq B} folgt r ( A ) r ( B ) {\displaystyle r(A)\leq r(B)}

Untere Rangfunktion

Die untere Rangfunktion (engl. lower rank) ρ : P ( E ) N 0 {\displaystyle \rho \colon {\mathcal {P}}(E)\to \mathbb {N} _{0}} ist definiert als ρ ( F ) = min { | A | A F , A U  und  A { x } U   x F A } {\displaystyle \rho (F)=\min\{|A|\mid A\subseteq F,A\in {\mathcal {U}}{\text{ und }}A\cup \{x\}\not \in {\mathcal {U}}\ \forall x\in F\setminus A\}} für alle Teilmengen F E {\displaystyle F\subset E} .

Rangquotient

Der Rangquotient von ( E , U ) {\displaystyle (E,{\mathcal {U}})} ist definiert als

q ( E , U ) := min F E ρ ( F ) r ( F ) . {\displaystyle q(E,{\mathcal {U}}):=\min _{F\subseteq E}{\frac {\rho (F)}{r(F)}}.}

In einem Unabhängigkeitssystem ist der Rangquotient kleiner gleich eins und gleich eins, wenn das Unabhängigkeitssystem ein Matroid ist.

Hüllenoperator

Für eine Teilmenge A E {\displaystyle A\subseteq E} ist s ( A ) = { x E r ( A { x } ) = r ( A ) } {\displaystyle s(A)=\{x\in E\mid r(A\cup \{x\})=r(A)\}} der Hüllenoperator.

Für diesen gilt:

  • A s ( A ) {\displaystyle A\subseteq s(A)} (Extensive Abbildung)
  • Aus A B {\displaystyle A\subseteq B} folgt s ( A ) s ( B ) {\displaystyle s(A)\subseteq s(B)} (Monotonie)
  • s ( A ) = s ( s ( A ) ) {\displaystyle s(A)=s(s(A))} (Idempotenz)

Eigenschaften

Jedes Unabhängigkeitssystem lässt sich als Durchschnitt endlich vieler Matroide darstellen.[1]

Beispiele

  • Sei E {\displaystyle E} ein Vektorraum über einem endlichen Körper und U {\displaystyle {\mathcal {U}}} die Menge aller linear unabhängigen Teilmengen von E {\displaystyle E} . (Dieses Beispiel motiviert die Bezeichnung. Man kann dieses Beispiel auch auf nichtendliche Körper verallgemeinern, allerdings gelten dann viele der hier gemachten Aussagen über Unabhängigkeitssysteme nicht mehr.)
  • Sei E {\displaystyle E} eine beliebige endliche Menge, n {\displaystyle n} eine natürliche Zahl und U {\displaystyle {\mathcal {U}}} die Menge aller höchstens n {\displaystyle n} -elementigen Teilmengen von E {\displaystyle E} .
  • Die Paarung in einem bipartiten Graph lässt sich als Durchschnitt zweier Matroide darstellen und ist somit ein Unabhängigkeitssystem.[2]
  • Das Problem des Handlungsreisenden lässt sich als Durchschnitt dreier Matroide darstellen und ist somit auch ein Unabhängigkeitssystem.[3][4][5]

Literatur

  • James Oxley: Matroid Theory. Oxford Mathematics, 1992, ISBN 0-19-920250-8.
  • Bernhardt Korte, Jens Vygen: Combinatorial Optimization. Theory and Algorithms. 4. Auflage. Springer, 2007, ISBN 978-3-540-71843-7.
  • Christos H. Papadimitriou, Kenneth Steiglitz: Combinatorial Optimization. Algorithms and Complexity. Prentice Hall, 1982, ISBN 0-13-152462-3.
  • Jon Lee: A First Course in Combinatorial Optimization. Cambridge Texts in Applied Mathematics, 2004, ISBN 0-521-01012-8.
  • Sven Oliver Krumke, Hartmut Noltemeier: Graphentheoretische Konzepte und Algorithmen. 2. Auflage. Vieweg-Teubner, 2009, ISBN 978-3-8348-0629-1.

Einzelnachweise

  1. Beweisidee in Bernhardt Korte und Jens Vygen: Combinatorial Optimization. 4. Auflage. S. 323.
  2. Korte und Vygen: Combinatorial Optimization 4. Auflage. S. 323.
  3. Erstmals erwähnt in Michael Held, Richard M. Karp: The traveling-salesman problem and minimum spanning trees (Memento vom 21. September 2006 im Internet Archive). 1969, S. 24. (PDF; 1,02 MB)
  4. Allgemeine Definition des Unabhängigkeitssystem und Beweis des dritten Matroid in Jon Lee: A First Course in Combinatorial Optimization. 2004. S. 89.
  5. Beweis der ersten zwei Matroide in Korte und Vygen: Combinatorial Optimization. 4. Auflage. S. 307.